Neuralink

Neuralink
Neuralink mit Sitz in San Francisco ist ein Neurotechnologieunternehmen. Es wurde 2016 vom Milliardär Elon Musk (bekannt durch Tesla und SpaceX) gemeinsam mit acht weiteren Unternehmern gegründet. Die Zielstellung bestand von Anfang an darin, ein Brain-Computer-Interface zu entwickeln. Im August 2020 konnte Musk einen ersten Erfolg präsentieren: Ein Gerät unter der (vorläufigen) Arbeitsbezeichnung Neuralink stellt tatsächlich die Verbindung zwischen dem Gehirn und einem Smartphone her.

Was ist ein Brain-Computer-Interface?

Es ist eine Schnittstelle zwischen einem Gehirn (Mensch oder Tier) und einem Computer. Natürlich ist das Ziel der Mensch, doch geforscht wird bislang (erfolgreich) an Tieren. Brain-Computer-Interface (BCI) übersetzt sich mit Gehirn-Computer-Schnittstelle, die Bezeichnung Brain-Machine-Interface (BMI) ist ebenfalls geläufig. Entscheidend am BCI ist die Übertragung von Signalen zwischen dem Gehirn und dem Computer ohne eine Aktivierung von peripheren Nerven, die sich beispielsweise in den Extremitäten befinden. Es muss für die Verbindung zwischen Hirn und Computer daher direkt im Gehirn eine bioelektronische Schnittstelle eingepflanzt werden, die Musk Ende August 2020 tatsächlich präsentierte. Es handelt sich um ein Implantat mit der Größe und Dicke von etwas mehr als drei gestapelten 1-Euro-Münzen, das in den Schädel kommt und dort einen Teil von dessen Decke ersetzt. Prinzipiell können BCIs die elektrische Hirnaktivität aufzeichnen oder die hämodynamische Hirnaktivität messen. Letztere kennzeichnet den Blutfluss im Gehirn. Neuralink fokussiert auf die elektrischen Signale im Gehirn. Welche Signale auch immer ein BCI-Sensor aufnimmt: Sie müssen anschließend im Computer durch Mustererkennung analysiert werden. Danach lassen sie sich im günstigsten Fall in Steuersignale umwandeln, was Elon Musk verspricht.

Kann das funktionieren?

Grundsätzlich ja. Das BCI gibt es als Anwendung der Neurotechnik schon länger. Wenn man vom invasiven Eingriff bei der Neuralink-Entwicklung absieht, misst man ja Hirnströme mithilfe der Elektroenzephalografie schon länger, nur kommen dabei keine Elektroden ins Gehirn. Sie liegen nur auf. Musk und sein Unternehmen wollen aber mehr als nur Messungen erreichen. Brain-Computer-Interfaces entwickelt man heute, um vom Gehirn aus etwas über den Umweg der Maschine zu steuern (etwa bei Querschnittslähmungen). Die Wissenschaft weiß schon relativ lange, dass allein die Vorstellung einer Bewegung zu Hirnströmen führt, die sich auch messen lassen. Es gilt nun, diese relativ schwachen Ströme über ein BCI zur Ansteuerung beispielsweise von künstlichen Gliedmaßen zu nutzen. Das ist ein erklärtes Ziel von Neuralink, ein anderes besteht in der Früherkennung von Krankheiten wie Herzinfarkten und Schlaganfällen. Da Hirnströme den motorischen Kortex aktivieren, könnte beispielsweise eine querschnittsgelähmte Person lernen, durch ihre Hirnströme künstliche Beine und Füße zu steuern. Eigentlich lernen beim BCI beide Seiten (Mensch und Maschine), denn die Software muss als Künstliche Intelligenz ebenfalls die Signalverarbeitung erlernen. Es gibt wenigstens versuchsweise schon funktionierende Brain-Computer-Interfaces. Versuchspersonen stellen sich mit einer EEG-Haube über dem Kopf vor, eine Hand oder einen Fuß zu bewegen, was stellenweise schon recht gut klappen soll. Gehirnimplantate sind aber noch sehr ungewöhnlich. Elon Musk prescht hier wirklich vor. Möglicherweise gelingt es seiner Firma Neuralink auch noch, ein bislang ungelöstes Problem der BCIs zu knacken: Diese schaffen es mit heutigem Stand (Mitte 2020) nur, die Gedanken des Menschen oder Hirnimpulse eines Versuchstieres auf den Rechner zu übertragen. Der umgekehrte Weg funktioniert noch nicht. Er würde zum Beispiel bedeuten, dass das Gehirn allein über computergesteuerte, in sein Gehirn geschickte Signale Bewegungen, Wärme oder Kälte wahrnimmt.

Geschichte von Neuralink

Die Vorläuferstudien zu den Forschungen von Neuralink liefen schon etwas länger. 2016 gründeten dann Elon Musk, Vanessa Tolosa, Ben Rapoport, Max Hodak, Dongjin Seo, Paul Merolla, Tim Gardner, Philip Sabes und Tim Hanson das Unternehmen Neuralink und erwarben von zwei Neurowissenschaftlern, die schon vorher auf diesem Gebiet und unter diesem Arbeitstitel tätig gewesen waren, die Namensrechte. Die Presse begann sich ab März 2017 für das Start-up zu interessieren, weitere relevante Veröffentlichungen folgten im Juli 2019. Die Firma berichtete nun selbst in einem Livestream über ihre Fortschritte. Am 29. August 2020 schließlich führte sie ihren Neuralink (Arbeitsbezeichnung für das Implantat) wiederum in einem Livestream vor, mit dem sie eigentlich weiteres Personal gewinnen wollte. Der Inhalt des Streams war die einschränkungsfreie Implantation, Entfernung und Austauschbarkeit eines invasiven Neuralinks an Versuchsschweinen. Star der Vorführung war das Versuchsschwein Gertrud, mit dem hervorragende Demonstrationen gelangen. Unter anderem konnte das Unternehmen Neuralink die bildtechnische Auflösung von über 1.000 Kanälen demonstrieren, welche alle wesentlichen Gelenkpositionen des Schweins Gertrud in Bewegung zeigten. Auch die Rüsselaktivität von Gertrud wurde sehr schön vorgeführt. Ein weiteres Thema waren psychopathologische Befunde in großer Bandbreite, die durch aktive Neuralink-Funktionen ermittelt wurden. Die US-Behörde FDA soll inzwischen den Zulassungsprozess eingeleitet haben.

Neuralink: Ziele des Unternehmens

Kurzfristig strebt die Firma Neuralink das Ziel an, schwere ZNS- und Hirnerkrankungen zu lindern. Ein langfristiges Ziel ist das Human Enhancement, also die technische Erweiterung der körperlich vorgegebenen Möglichkeiten, ein weiteres die Bekämpfung von potenziell gefährlichen Verwendungen der KI. Elon Musk sagte zum Human Enhancement in einem Interview, dass diese Aussicht natürlich in der Gesellschaft als bedenklich gilt. Er kenne jedoch viele Neurowissenschaftler, die sehr selbstverständlich mit solchen Möglichkeiten umgingen, weil die Forschung schon zu Ergebnissen gekommen sei. So gebe es schon Versuche mit Gehirnimplantaten gegen Parkinson und den Verlust des Sehvermögens. Musk will allerdings noch deutlich mehr. Unter anderem hofft er mithilfe von Gehirnimplantataten auf eine konsensbasierte Telepathie, also die Gedankenübertragung zwischen Menschen zu einem bestimmten Thema, sowie auf die Ansteuerung technischer Geräte allein mit Gedanken. Am 29. August 2020 äußerte er die Überlegung, dass ein Tesla-Fahrer seinen Wagen vielleicht allein mit Gedanken herbeirufen könne, wenn ihm ein Neuralink implantiert sei. Niemand der anwesenden Reporter konnte einschätzen, wie ernst Elon Musk diese Bemerkung gemeint hatte.

Biotechnische Umsetzung des Neuralinks

Ein Neuralink wird als Implantat in die Schädeldecke eingesetzt. Über 1.000 Mikroelektroden stellen dann die Verbindung zu den Nervenzellen des Gehirns her. Jede einzelne dieser Verbindungen muss verdrahtet werden, wofür die Firma Neuralink einen speziellen Minioperateur konstruiert hat. Der implantierte Neuralink ist eine invasive Neuroprothese.

Rezeption des Neuralink-Konzepts

Es gibt begeisterte Zustimmung zur Firma Neuralink unter anderem von Ärzten, die sich handfeste Verbesserungen bei der Rehabilitation von Querschnittsgelähmten und bei der Früherkennung von Herzinfarkten und Schlaganfällen erhoffen. Das Human Enhancement ist zumindest für Wissenschaftler interessant, auch wenn es derzeit noch wie Science Fiction wirkt. Elon Musk würde damit einen weiteren Schritt in Richtung Cyborg gehen, also ein Wesen als Mischung aus Mensch und Maschine erschaffen. Doch Cyborgs gibt es bereits, ein sehr prominenter Vertreter ist der Brite Neil Harbisson. Er verfügt über ein Gehirnimplantat, das ihm Lichtwellen in Töne übersetzt, weil er eigentlich farbenblind ist. Inzwischen wurde er sogar behördlich als Cyborg anerkannt. Auch Menschen mit künstlichen Organen können durchaus als Cyborgs betrachtet werden. Nur sind die Eingriffe ins Gehirn, die Musk mit seinem Human Enhancement plant, noch deutlich weitreichender. Sie werfen auch juristische Fragen auf: Wo hört der Mensch auf, wo fängt die Maschine an? Bis zu welcher Mischung genießt ein Cyborg die ganz normalen menschlichen Rechte? Mit solchen Fragen befasst sich unter anderem der Cyborg-Aktivist Neil Harbisson. Kritiker an Neuralink gibt es natürlich auch. Nur beispielhaft seien hier einige Stimmen aus Deutschland aufgeführt. Der Direktor der Experimentellen Neurologie an der Berliner Charité Ulrich Dirnagl betrachtet die Versprechungen von Elon Musk in Bezug auf den Neuralink als einen unseriösen Hype. Der Neurologe Philipp Kellmeyer vom Universitätsklinikum Freiburg schließt sich dieser Auffassung an. Die Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel gibt zu bedenken, dass das menschliche Gehirn durch den Neuralink mit einer Cloud vernetzt wird, die gehackt werden kann. Damit könnten sich Hacker direkt ins Gehirn eines Neuralinkträgers einklinken.